2018: «Neophytenarme Zone» in den nördlichen Napfausläufern stösst auf grosses Interesse

Medienmitteilung zur Neophyten-Fachtagung vom 25. April 2018 in Altbüron LU

Fachtagung invasive Neophyten 2018 in Altbüron

Die beiden Vereine Smaragdgebiet Oberaargau und Lebendiges Rottal sowie die Biodiversia GmbH hatten zu einer Fachtagung «Invasive Neophyten in den nördlichen Napfausläufern» eingeladen. Hier nördlich des Napfs (1408 m.ü.M.) fliessen diverse Bäche Richtung Norden zur Aare. Sie durchqueren dabei bernisches, luzernisches und aargauisches Gebiet in der Grössenordnung von 600 Quadratkilometern. 70 Praktiker und Fachleute aus diesem Gebiete diskutierten letzten Mittwoch in Altbüron LU über den Ansatz einer «neophytenarmen Zone» zur weiterhin vorbildhaften Eindämmung exotischer Problempflanzen. Dieser wurde während der letzten 12 Jahren von verschiedenster Seite vorangetrieben und unterstützt. Damit sollen die einheimischen Pflanzenbestände samt vielfältiger Tierwelt bewahrt werden.

Der neue Begriff «neophytenarme Zone» stiess auch beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) auf grosses Interesse. Es unterstützte den Anlass mit einem Beitrag und einem Referat vor Ort. Ebenfalls unterstützt wurde die Tagung vom Kanton Luzern, von mehreren Regionalorganisationen und vom WWF Bern, das sich das europaweit bedeutsame Smaragdgebiet Oberaargau am Unterlauf der Fliessgewässer Langete, Rot und Oenz befindet. Die ebenfalls beitragende Pro Natura Bern besitzt hier zudem ein grosses Naturschutzgebiet. Gross war das Interesse an der Tagung auch von Seite Strassenunterhalt, Wald, Landwirtschaft und von Seite Gemeinden. Insgesamt 60 Gemeinden waren im Vorfeld kontaktiert worden, an der Tagung war die Mehrzahl davon über die eine oder andere Funktion vertreten.

Ansatz im Sinn der nationalen Strategie

Aus Bundesbern an die Tagung angereist war Gian-Reto Walther, zuständiger für das Thema Neobioten (z.B. Neophyten) beim Bundesamt für Umwelt (BAFU). Er stellte an der Tagung die Bestrebungen des BAFU in Bezug auf die invasiven Neophyten vor. Diese sind komplex und umfassen viele strategische, rechtliche und koordinative Bereiche. Weiter werden die ausführenden Akteure mit wertvollen fachlichen und organisatorischen Grundlagen unterstützt. Für die Pioniere unter den Tagungsteilnehmer war sein Fazit Balsam in den Ohren: «Wer heute schon Anstrengungen unternimmt, invasive gebietsfremde Arten einzudämmen, handelt übereinstimmend mit der Zielsetzung der ‘Strategie der Schweiz zu invasiven Arten’ und verringert dadurch den eigenen Handlungsbedarf und damit die Kosten in der Zukunft.»

Unterstützung von Seite Zentralschweiz

Peter Kull von der Abteilung Landwirtschaft und Wald (lawa) des Kantons Luzern zeigte eingangs erschreckendes Bildmaterial, etwa von einem Wald voller Drüsiges Springkraut, von Infrastruktur inmitten Japan-Knöterich oder von einem Flachmoor mit Reinbewuchs nordamerikanischer Goldruten. Während Leute im Auftrag des Kantons Luzern in Naturschutzgebieten selber Hand anlegen, unterstützt das lawa die ausführenden Kräfte mit verschiedenem Informationsmaterial, online und in gedruckter Form. Zudem hat der Kanton Luzern in jeder Gemeinde eine Kontaktperson und führt unter anderem zusammen mit dem Kanton Bern einen Pilotversuch gegen den Japan-Knöterich durch. Auch Peter Kull motivierte zu frühzeitigem Handeln und lobte den Ansatz der «neophytenarmen Zone» in den nördlichen Napfausläufern ein «gutes Konzept», das auch anderswo Schule machen könne. Zuletzt verwies er auf die LUGA-Sonderschau «Exotische Problempflanzen» (27.4.-6.5.18)

Zusammenarbeit als Erfolgsmodell

Werner Stirnimann von der Biodiversia GmbH schildete, wie 2006 eine Tagung in Langenthal BE für viele Teilnehmende den Ausschlag gab, aktiv zu werden. Rund um die Stadt Langenthal wucherte das Drüsige Springkraut damals bereits entlang von Kilometern Bachläufen und in diversen Bereichen Dutzender Hektar Waldflächen. Die vorbildliche Unterstützung der Stadt Langenthal - und später des regionalen Hochwasserschutzverbandes und vieler Gemeinden – führte in Kombination mit jährlich Hunderten Stunden ehrenamtlicher Kräfte der Vereine Lebendiges Rottal, Vogelschutz Aarwangen, usw. zu einem langsam immer grösser werdenden Einsatzgebiet. Unterdessen arbeiten Fachkräfte und Ehrenamtliche bis in die Quellregionen von Oenz, Langete, Rot, Pfaffnern, Luthern und Wigger. Mit diesen handfesten Einsätzen vor invasiven Neophyten werden mehrere Naturschutzgebiete, das Smaragdgebiet Oberaargau und diverse weitere, artenreiche Lebensräume in den nördlichen Napfausläufern bewahrt. Beat Stöckli (Biodiversia GmbH) zeigte Beispiele von seltenen Pflanzen, die sonst von den exotischen Problempflanzen verdrängt würden. Weiter gab er viel Wissen inkl. Tricks seiner langjährigen Praxiserfahrungen weiter, ergänzt mit Resultaten seiner Recherchen zum Einjährigen Berufskraut, das mehr und mehr die artenreiche Wiesenvegetation bedroht. Die Pflanze steht dieses Jahr im Fokus der Aktion «Art ohne Grenzen» (15.6.-17.6.18).

Gemeindefinanzen als kritischer Faktor

Dank Freiwilligen und dem frühen Bekämpfungsbeginn vor 12 Jahren können die Kosten für Eindämmung der invasiven Neophyten zwischen Napf und Aare vergleichsweise tief gehalten werden. Sie bewegen sich pro Gemeinde oftmals nur im Bereich weniger Hundert, im Ausnahmefall weniger Tausend Franken. Trotzdem stellte sich bei der Diskussion der rund 600 Quadratkilometer grossen «neophytenarmen Zone» heraus, dass die Gemeindefinanzen der kritische Faktor sind; beziehungsweise die Priorität welche dem Thema auf Stufe Gemeinderat und letztendlich auch Werkhof oder Unterhalt gegeben wird. Obwohl dadurch Zurückhaltung zu spüren war, zeigte sich an der Tagung eine deutliche Mehrheit der Anwesenden bereit, im Alltag weiterhin einen Beitrag zur Weiterentwicklung der «neopyhtenarmen Zone» nördlich des Napfs zu leisten.

Abendveranstaltung zu «Wertverminderung»

Dass sich die Investitionen gegen die invasiven Neophyten langfristig auch wirtschaftlich lohnen dürften, zeigte der Hinweis auf die öffentliche Abendveranstaltung «Wertverminderung von Grund und Boden durch exotische oder einheimische Problempflanzen». Diese soll am 13.6.2018 ebenfalls in der Mehrzweckhalle Hiltbrunnen Altbüron-Grossdietwil stattfinden und unter anderem aufzeigen, dass Grundstücke in Landwirtschaft, Forst, Siedlung durch Befall von Erdmandelgras, Drüsigem Springkraut, Einjährigem Berufskraut, Japan-Knöterich usw. ohne weiteres weniger wert sein können.

Weitere Informationen:
www.bafu.admin.ch
lawa.lu.ch/Natur/lebensraeume/neobiota
www.smaragdoberaargau.ch
www.biodiversia.ch
www.lebendigesrottal.ch